Von der Kinderstube zum Compass Hubelmatt

1920 eröffnete der Gemeinnützige Frauenverein des Kantons Luzern in einer Dreizimmerwohnung im ehemaligen Bürgerspital an der Obergrundstrasse in Luzern eine Kinderstube für «schutzbedürftige Kinder». Im Jahr 2020 feiert der Compass Hubelmatt das 100-jährige Jubiläum.

Diese immer noch privatrechtliche Institution liess auf das Jubiläum hin die eigene Geschichte von einem Historiker-Team aufarbeiten. Dafür wurden Akten aus dem Stadtarchiv Luzern, aus dem Staatsarchiv des Kantons Luzern sowie Unterlagen aus dem Büro des Heimleiters gesichtet. Zudem wurden Oral History Interviews mit ehemaligen 'Heimkindern', Mitarbeitenden sowie Verantwortlichen geführt, die während den letzten über vierzig Jahren mit dem Kinderheim Hubelmatt zu tun hatten. Auch Kinder und Jugendliche, die aktuell auf der Hubelmatt leben, wurden zu ihrem Alltag befragt. 

Auf dieser Seite werden die wichtigsten Meilensteine festgehalten. Wer das Ganze etwas vertiefen möchte, kann die 'Gesamtdarstellung' Von der Kinderstube zum Compass Hubelmatt. Ein privates Kinderheim in der Stadt Luzern 1920-2020 als PDF herunterladen.

Für eine Übersicht zur 100-jährigen Geschichte ist der 'Zeitstrahl' gedacht. Für einen Beitrag im Jubiläumsjournal wurden Zitate von ehemaligen 'Heimkindern' verwendet.

Gesamtdarstellung Zeitstrahl Jubiläumsjournal

 

Das hier dargestellte fusst auf dem bis März 2020 aufgefundenen Material. Fehlen Quellen, gibt es keine Geschichte(n). Tauchen künftig neue Informationen auf, kann sich die hier verfasste Darstellung verändern.

Vorgeschichte (vor 1920)

Kindheit als neue Lebensphase

Vor der Aufklärung wurde der Individualität der Personen keine grosse Bedeutung zugeschrieben. Verwaiste und verarmte Kinder wurden in den Spitälern aufgenommen oder in andere Familien platziert. In den Spitälern der Vormoderne wurden Waisenkinder zusammen mit Armen, Kranken und Alten verpflegt.

17. Jahrhundert: Mit dem Aufkommen des aufklärerischen Gedankengutes wurde die Kindheit als neue Lebensphase entdeckt. Dadurch wurden der Erziehung und Bildung der Jugend immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt. In dieser Zeit entstanden die ersten Waisenhäuser der Schweiz.

1766: In Luzern wurde das erste Waisenhaus eröffnet. Dieses war industriell ausgerichtet, die Kinder sollten ihren Unterhalt durch Arbeit selber finanzieren.

1770er: Ausgelöst durch eine hohe Sterblichkeitsrate der Kinder in den Waisenhäusern kam es zum sogenannten 'Waisenhausstreit'. Es wurde öffentlich darüber diskutiert, ob es besser sei, die Kinder in einer Pflegefamilie zu platzieren bzw. zu verdingen oder sie einem Waisenhaus zu übergeben.

 

Albert Anker, Armensuppe, Ende 19. Jahrhundert
Albert Anker, Armensuppe, Ende 19. Jahrhundert

Bevölkerungszunahme, Massenarmut und Hilfsvereine

19. Jahrhundert: In der Stadt Luzern kam es zu einem enormen Bevölkerungswachstum. In der Schweiz herrschte Massenarmut. Einer der häufigsten Gründe für eine Fremdplatzierung von Kindern war Armut. 

1811: Die Bürgergemeinde der Stadt Luzern eröffnete das erste Waisenhaus an der Baselstrasse (1971 Umzug auf den Untenberg, heutige Kinder- und Jugendsiedlung Utenberg).

1888: Bürgerlich gesinnte Frauen aus der deutschen und rätoromanischen Schweiz gründeten den Schweizerischen Gemeinnützigen Frauenverein (seit 2004 'Dachverband Schweizerischer Gemeinnütziger Frauen'). Im selben Jahr entstand der Gemeinnützige Frauenverein des Kanton Luzern (seit 2008 'SGF Zentralschweiz'). Sein Leitspruch lautete damals: "Edles Bestreben, Gemeinnützigkeit, sind dieses Vereins fester Grund; zum nützlichen Wirken, zu Einigkeit, reichen wir treu uns die Hand zum Bund."
Dem GF Kanton Luzern unterstanden regionale Sektionen, wie zum Beispiel die 1889 gegründete Sektion Stadt Luzern.

1897: Der Zuzug von Arbeitern und Arbeiterinnen von der Landschaft in die Stadt Luzern im 19. Jahrhundert führte zum enormen Bevölkerungswachstum in der Stadt. Um den Lebensunterhalt dieser Familien finanzieren zu können, mussten oft beide Elternteile arbeiten gehen, was zur grossen Nachfrage nach Kinderbetreuungsplätzen führte. Der GF Sektion Stadt Luzern eröffnete 1897 in der Neustadt in Luzern eine Kinderkrippe.

Das Militär sicherte und betrieb den Bahnhof Luzern während des Landesstreiks 1918
Das Militär sicherte und betrieb den Bahnhof Luzern während des Landesstreiks 1918

Kinderschutzartikel und Not im Ersten Weltkrieg

1912: In der Schweiz war gemäss der Bundesverfassung bis 1912 der Kinderschutz den Kantonen überlassen. Das neue Zivilgesetzbuch (ZGB) trat 1912 in Kraft und regelte die Bereiche des Personen-, Familien-, Erb-, und Sachrechtes. Darin befand sich auch der eidgenössische Kinderschutzartikel. Die Vormundschaftsbehörden konnten nun auf dieser rechtlichen Basis ein Kind im Falle von "Verwahrlosung", "pflichtwiedrigem Verhalten" oder "dauernder Gefährdung", einer Familie wegnehmen. Diese Kinder wurden meistens verdingt, in ein Heim überwiesen oder bei einer Pflegefamilie untergebracht.

1914-1918: Mit dem Ersten Weltkrieg verschärfte sich die Not der Bevölkerung. Militärdienstleistende erhielten führ ihren Lohnausfall keine Entschädigung. Der Schweizer Sozialstaat fehlte. Die bereits ärmlichen Verhältnisse der Arbeiterfamilien verschlechterten sich. Darauf reagierte die Vormundschaftsdirektion der Stadt Luzern. In den Räumen des ehemaligen Bürgerspitals richtete sie 1918 eine sogenannte "Notstube" für jene Kinder ein, die in "misslichen Verhältnissen" lebten und für die man vorübergehend nach einer Unterkunft suchte.

Erste Hälfte 20. Jahrhundert: Im Kanton Luzern wurden die meisten Kinder- und Jugendheime in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert gegründet. Die Mehrheit der Heime nahm nur katholische Kinder und Jugendliche auf. Als Personal wurden oft katholische Ordensangehörige eingesetzt, vorwiegend Schwestern aus den Klöstern Baldegg und Ingebohl. Es existierten auch zahlreiche private Heime. Sechs Heime standen unter einer öffentlichen Trägerschaft (Hohenrain, Baselstrasse, Schüpfheim, Sonnhalde, Frühlicht, Malters), die übrigen, wie das Kinderheim Hubelmatt, wurden von privaten Trägerschaften geführt.

Anfänge (1920er)

Ein Schutzhaus für Kinder

1919: Der engere Vorstand des Gemeinnützigen Frauenverein (GF) Kanton Luzern traf sich am 8. Februar 1919. In dieser Sitzung las die neu gewählte 'Fräulein' Stocker, laut Protokoll, einen Aufsatz über schutzbedürftige Kinder vor. Sie wollte die Anwesenden davon überzeugen, sich in Zukunft vermehrt in diesem Bereich zu engagieren.
An der Jahresversammlung am 27. April 1919 wurde entschieden, sich in der Vereinstätigkeit künftig mehr den "vernachlässigten Kindern" zu widmen. Im Protokoll wurde festgehalten: "Es wird eine schöne und wichtige Aufgabe unseres Vereins werden, mit allen Mitteln dem Kinderelend [entgegen] zu steuern."

29. Januar 1920: In einer Morgensitzung beschloss der Vorstand des GF Kanton Luzern, es solle ein Schutzhaus gegründet werden. Der Grundstein war gelegt. Am Nachmittag trafen sich die Vertreterinnen der Sektionen. Die Mehrheit wollte eine Anstalt gründen. Jedoch wurde heftig darüber diskutiert, ob ein Säuglingsheim mit anderen Vereinen der Stadt und des Kantons errichtet, oder ob die Gründung alleine gewagt werden sollte.

Sitzungsprotokoll des Gemeinnützigen Frauenverein Kanton Luzern, 29.1.1920
Sitzungsprotokoll des Gemeinnützigen Frauenverein Kanton Luzern, 29.1.1920

"Den 29. Januar 1920 wurde die diesjährige Jahresarbeit mit einer zweiten Delegiertenversammlung eröffnet. [...] Schon am Vormittag hatte eine kurze Sitzung des Vorstandes stattgefunden, in der man den Beschluss gefasst, das Schutzhaus zu gründen, sei es mit dem geplanten Säuglingsheim, falls dasselbe bald zu stand käme, sei es auf ganz einfacher Grundlage mit Hülfe der Vormundschaftbehörde im alten Bürgerspital."

15. April 1920: Nach weiteren Treffen wurde entschieden, dass es unmöglich sei, mit anderen Vereinen "gemeinsame Sache" zu machen. So beschloss der GF Kanton Luzern, mit dem Plan "Kinderstube" alleine voranzugehen. Dafür wurde ein zuständige Kommission geschaffen.

8. Juli 1920: Im Sommer fielen "schwerwiegende Beschlüsse betreff der Kinderstube": Eine Leiterin für die Kinderstube wurde gewählt und eine Spendensammlung vorbereitet. 

Anfang 20. Jahrhunderts – Standort des ehemaligen Bürgerspitals
Anfang 20. Jahrhunderts – Standort des ehemaligen Bürgerspitals
'Gemeinnützige' Frauen

Die Anfänge der Kinderstube 1920

Sommer 1920: In einer Dreizimmerwohnung im zweiten Stock des ehemaligen Bürgerspitals wurde mit alten Möbeln aus einer Liquidation eine Kinderstube eingerichtet. Im Rückblick erinnerten sich Frau Stocker und Frau Wickart an die Eröffnung im Sommer 1920: "Es fehlte [...] überall am Nötigsten, und als die ersten fünf Pensionäre, zum Teil in Backpapier eingewickelte Säuglinge, angelangten, mussten schleunigst Wäsche und Kleider beschaffen werden."

Für den Betrieb waren eine Kinderschwester und ein Kindermädchen zuständig. Die Leitung erfolgte durch die Kinderstubenkommission. Für jene "Schützlinge", deren Eltern das Pflegegeld von 50 Rappen bis 1.50 Franken nicht bezahlen konnten, wurden Spendengelder verwendet.

Die Kinder kamen auf unterschiedlichen Wegen in die Kinderstube. Entweder übergaben die Behörden die Kinder direkt oder es waren die Eltern selbst, die - etwa im Krankheitsfall der Mutter - das Kind in der Kinderstube unterbrachten. Auch verwitwete und alleinstehende Mütter, die einer Arbeit nachgehen mussten, nutzten dieses Angebot. Ebenso liessen arme Familien ihre Kinder tagsüber betreuen, die wegen der "Wohnungsnot" und den hohen Mietzinsen nicht genügend Platz und Ressourcen für ihre Kinder hatten. Der GF Kanton Luzern sah Ehescheidungen als eine zunehmende Ursache von "zerrütteten Familienverhältnissen".

Während im ersten Jahr 24 Kinder (111,5 Verpflegungstage) aufgenommen wurden, konnten in den darauffolgenden Jahren 70 bis 80 Kinder gepflegt und betreut werden.

Da das Heim grösstenteils mit Spenden finanziert wurde, war Sparsamkeit oberstes Gebot. In einem Bericht aus dem Jahre 1929 wird festgehalten: "Sparsamkeit in allen Haushaltungsausgaben wurde ständig innegehalten. Einrichtungsgegenstände verschaffen wir uns in guter Qualität, doch unter Vermeidung von jedem Luxus. Die einfache und Nahrhafte Kost wurde immer in genügender Menge verabreicht."

 

Überleben, Durchhalten, Durchbeissen (1928-1950er)

Der Umzug auf die Hubelmatt

1927: Das rasante Bevölkerungswachstum hatte zur Folge, dass die zunehmende Stadtverwaltung neue Büroräume brauchte. Diese wollte sie in den Räumlichkeiten der Kinderstube im ehemaligen Bürgerspital einrichten. 1927 begann die Kinderstubenkommission nach einer geeigneten Liegenschaft zu suchen. Die Stadtverwaltung bot dem Gemeinnützigen Frauenverein (GF) Kanton Luzern ein altes Haus etwas ausserhalb der Stadt, im Hubelmatt Quartier, an. Um dort ein "modernes Kinderheim" einzurichten, musste es renoviert werden. Die Kosten wurden zu Dreivierteln von der Eigentümerin, der Stadt Luzern, übernommen.

1928: Für die Beteiligten bedeutete der Umbau, die Verlegung auf die Hubelmatt sowie die Neuorganisation der Kinderstube einen grossen Aufwand. Der Umzug fand am 30. Juni 1928 statt. Eine Delegation des Stadtrates besichtigte am 7. September die neue Kinderstube. Die "reizend gelegene, in dunkelrotem Anstrich prangende Hubelmatt mit prächtiger Aussicht auf Gebirge, Tal und die Stadt" bot Platz für 22 Kinder. Das grosszügige Gelände ums Haus wurde als Gemüsegarten und Spielplatz genutzt. 

Auf der Hubelmatt

Die Kinderstube seit 1928 auf der Hubelmatt
Kinder und Personal in den 1930er-Jahren
Ausschliesslich weibliche Betreuung, 1930er-Jahre

1940: Eine ständige Last bedeuteten die finanziellen Sorgen. Deshalb sei der Heimalltag, so ein Text zum 20-Jahre-Jubiläum 1940, durch "weise Sparsamkeit" geprägt gewesen. Berichte aus diesen Jahren deklamieren: "Um die notwendigen und unerlässlichen Anschaffungen machen zu können, benötigen wir in aller erster Linie Geld und nochmals Geld [...]". Der GF Kanton Luzern meldete sich regelmässig bei seinen Sektionen und bei Gönnern, um Spenden zu sammeln. Auch einige Legate halfen weiter. Als Eigentümerin der Liegenschaft kam die Stadt den 'gemeinnützigen' Frauen entgegen, indem sie weiterhin die Miete erliess und die Nebenkosten übernahm.

Die Nachfrage nach Unterkunftsplätzen für Kinder stieg an. Von 1928 bis 1940 wurden auf der Hubelmatt bauliche Anpassungen vorgenommen, um bis zu 35 Kinder aufnehmen zu können. Der Estrich wurde ausgebaut. Ein Krankenzimmer wurde hinzugefügt, auf dessen Dach man eine Terrasse für Sonnenbäder und Liegekuren für "schwächliche Kinder" realisierte. Zudem ersetzte eine Zentralheizung die Holzöfen, was die Unterhaltsarbeit für das Personal wesentlich erleichterte.

Aufgrund der höheren Kinderzahl musste der Betrieb neu organisiert, und das Personal aufgestockt werden. Im Jahre 1940 arbeiteten auf Hubelmatt:

  • 1 Heimleiterin namens Leni Pflugshaupt
  • 1 Kinderschwester als Gehilfin und Stellvertreterin
  • 1 Köchin und 1 Zimmermädchen für den Haushalt
  • einen Tag pro Woche kamen 1 Wäscherin und 1 Glätterin

Impressionen aus dem Jahre 1940

Impressionen der Kinderstube von der Luzerner Fotografin Meyerlist
Meyerlist 1940
Meyerlist 1940

Zweiter Weltkrieg, Auslandschweizer, strenge Regeln

1940: Die  Kinderstube feierte ihr 20-jähriges Bestehen. Auf Hubelmatt gastierten gegen Ende des Zweiten Weltkriegs vorübergehend mehrmals auch Kinder von Auslandschweizern. 

1944: Ein Reglement mit elf Punkten aus der Kriegszeit ist erhalten geblieben. Zu diesem Zeitpunkt war die Kinderstube als  "Durchgangsheim" konzipiert, in der die Kinder "Maximum 1 Jahr" bleiben durften. Es wurden nur gesunde Kinder aufgenommen, weshalb sie vor der Aufnahme obligatorisch ärztlich untersucht werden mussten. Laut Reglement durften die Kinder nur am Sonntag besucht werden und das Pflegegeld betrug 1.50 Franken pro Tag. 

Reglement der Kinderstube Hubelmatt von 1944
Reglement der Kinderstube Hubelmatt von 1944

Skandale in der Luzerner Heimlandschaft

1944: Der 'Fall Sonnenberg' weckte grosses Interesse. Die Reportage des Journalisten Peter Surava und des Fotografen Paul Senn in der Zeitschrift 'Nation' rückte das Leiden der dortigen "Zöglinge" ins öffentliche Bewusstsein. Die Erziehungsanstalt Sonnenberg wurde von der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft geführt. Der  dortige Leiter trat nach der Publikation der Sozialreportage zurück, wurde vor Gericht angeklagt und verurteilt. Das Heim wurde geschlossen.

1949: Die Anstalt von Rathausen war fünf Jahre später in den Schlagzeilen. Kritisiert wurden das strenge Strafsystem, die fehlende und ungenügende Aus- und Weiterbildung des Personals sowie der lieblose und streng geführte Massenbetrieb (bis zu 215 Plätzen in grossen Schlafsälen).

Turbulente Zeiten in der Kinderstube Hubelmatt

1940er: Die Kinderstube wurde in den 1930er- bis anfangs der 1940er-Jahre von Leni Pflugshaupt geleitet, die von den Kindern "Schwesti" (Kinderschwester) genannt wurde. Ihr "grosses pädagogisches Talent" wurde von den 'gemeinnützigen' Frauen gelobt: "Es braucht für unsere lieben Schützlinge oft sehr wenig, um etwas Sonnenschein in ihren Herzen zu pflanzen. Ein freundliches Wort der Anerkennung, Verständnis für ihre kleinen Anliegen und Anteilnahme an ihrem Geschick können sehr viel ausrichten. Dazu ist Schwester Leni mi ihrer ruhigen Art und ihrem mütterlichen Wesen in vorzüglicher Weise geeignet [...]." Während der Kriegs- und in der Nachkriegszeit fanden zahlreiche Personalwechsel statt. Nach Leni Pflugshaupt kam es zu verschiedenen Wechseln in der Heimleitung. Auf der Hubelatt brach eine turbulente Zeit an. 

1947: Auch die finanzielle Lage bot Anlass zur ständigen Sorge. So wurde versucht, das Pflegegeld von 2 auf 2.50 Franken zu erhöhen, um damit die Einnahmen zu verbessern.
Im selben Jahr beklagte sich eine Praktikantin beim GF Kanton Luzern über die allgemeinen Zustände auf der Hubelmatt: "Die Disziplin der Kinder lässt sehr zu wünschen übrig. Sie werden nicht richtig beschäftigt, langweilen sich und stellen allerlei Dummheiten an. Nach dem Frühstück sind sie sich meist selber überlassen, sind oft sehr lärmend, laufen im ganzen Hause umher und sind deshalb schwer zu beaufsichtigen. Das Personal ist nie genau darüber orientiert, was es zu tun hat. [...] Die Köchin ist im höchsten Grade unordentlich und unsauber. Die Ordnung in den Zimmern der Angestellten selbst, ausgenommen des Zimmermädchens ist unbeschreiblich [...] Beim Essen sind sie [die Kinder] wählerisch, wollen vieles nicht essen und es kommt vor dass schon beim Frühstück die Disziplin mit Hilfe eines Teppichklopfers aufrecht erhalten werden muss." Die 'gemeinnützigen' Frauen beschlossen eine neue Leiterin anzustellen. Zudem nahmen sie sich vor, bei der städtischen Baudirektion, der Liegenschaftseigentümerin, eine Sanierung zu beantragen, um "die gravierenden Mängel bei der hygienischen und baulichen Einrichtung zu beheben."

1950: Am 23. Oktober 1950 wurde Rosa Ineichen als neue Leiterin angestellt.

Umbruch- & Krisenjahre (1950er-1970er)

Erweiterungsbau

1955: Aus feuertechnischen Gründen durften anfangs der 1950er-Jahre die Zimmer im Dachstock nicht mehr benutzt werden. 1955 wurde ein grosser Erweiterungsbau geplant, was darauf hinwies, dass die Nachfrage nach zusätzlichen Betreuungsplätzen vorhanden war.

Kurzportrait Martha Interthal

1959: Anfang Jahr bewilligten die Stimmbürger der Stadt Luzern für die Erweiterung der Liegenschaft einen Kredit von 470'000 Franken. Im Sommer konnte mit den Arbeiten begonnen werden und ein Jahr später war der Erweiterungsbau bezugsbereit. Nun hatte es in der Kinderstube Hubelmatt Platz für 40-45 Kinder.

Altbau links, Erweiterungsbau rechts
Altbau links, Erweiterungsbau rechts

1964: Die Nutzung des Dachstocks wurde vier Jahre später erneut zum Thema: "In letzter Zeit kommt es [...] immer häufiger vor, dass auch polizeilich eingebrachte Kinder und Jugendliche (Fehlbare, Entwichene, Opfer von Verbrechen) aufgenommen werden müssen. Aus erzieherischen Gründen sollten sie in gesonderten Zimmern untergebracht werden, damit sie die anderen Kinder mit ihren Erlebnissen nicht behelligen und den Tagesablauf nicht stören." Im Dachstock wurden in der Folge eine "Polizeizelle" und Zimmer für diese Notaufnahmen eingerichtet. So konnte die Polizei kurzfristig ein Kind im Hubelmatt unterbringen.

Finanz- und Personalprobleme

1960er: Trotz der Hochkonjunktur in der Schweiz befand sich die Kinderstube weiterhin in einer schlechten finanziellen Lage. Die Heimleiterin Rosa Ineichen beklagte sich mehrmals auch schriftlich beim GF Kanton Luzern über die tiefen Löhne und den Personalmangel. Rosa Ineichen bestand darauf, für eine "zeitgemässe Heimführung" brauche es "zeitgemässe Löhne". Die 'gemeinnützigen' Frauen waren sich der Problematik bewusst und wandten sich mit Subventionsgesuchen an die Stadt. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde die Kinderstube lediglich von Einnahmen durch Pflegetaggeldern und Spenden sowie Legaten finanziert. Die Stadt übernahm als Eigentümerin der Liegenschaft Nebenkosten und Miete.
In den folgenden Jahren bis zur Stiftungsgründung im Jahr 1981 stellte die Kinderstube jährlich ein Subventionsgesuch an die Bürgergemeinde der Stadt Luzern. Die Defizite stiegen von Jahr zu Jahr: von rund 4'000 Franken auf bis zu 18'000 Franken (1979).

1968er: Die 1968er-Bewegung brachte einen Wandel der Wertestruktur und neue Lebensmodelle. Strenge und autoritäre Erziehungsformen wurden in Frage gestellt und neue Betreuungsformen kamen auf. Diese Tendenzen schlugen sich auch in der Heimkampagne der 1970er-Jahre nieder, bei welcher die Heimerziehung kritisiert und moderne Betreuungsformen gefordert wurden (z.B. Verkleinerung der Wohngruppen, mehr Selbstbestimmung, professionelle Abklärungen von Fremdplatzierungen).

In der Kinderstube Hubelmatt zählte man im Jahr 1968/69 die höchste Anzahl an Heimplätzen. Bis zu 44 Kinder im Alter von 2-19 Jahren wurden betreut von:

  • 1 Heimleiterin
  • 2 Gruppenmütter
  • 2-3 Krippenlehrtöchter/Praktikantinnen
  • 3 Angestellte halfen zudem im Haushalt
  • Buchhaltung und Administration wurden von einer fünfköpfigen, ehrenamtlichen Betriebskommission des GF Kanton Luzern erledigt
Rosa Ineichen: fürsorglich, überfordert, dominant
Rosa Ineichen: fürsorglich, überfordert, dominant

1950-1974: Rosa Ineichen leitete das Heim mit jeweils über 40 Kindern und Jugendlichen. Mit den vielen Heimkindern, besonders mit Pubertierenden, sei sie streng umgegangen, schildern Ehemalige. Resolut habe sie Regeln und Verbote durchgesetzt. Auch wird erzählt, dass Rosa Ineichen, wenn sie überfordert gewesen sei, aggressiv und handgreiflich reagiert habe. Offenbar kamen Tätlichkeiten in dieser Ära der Überforderung und Geldnot immer wieder vor. Heimkinder waren bis Ende der 1970er-Jahre, auch auf der Hubelmatt, vor erzieherischer Härte wie auch vor übergriffigem Verhalten weitgehend ungeschützt. 

Kurzportrait Carmine Huwiler

50 Jahre Kinderstube Hubelmatt

1970: Die Kinderstube feierte ihr 50-jähriges Bestehen. Die Jubiläumsfeierlichkeiten wurden auch genutzt, um auf die schlechte Finanzlage des Heimes aufmerksam zu machen.

1973: Drei Jahre später wurde der Dachstock der beiden Gebäude umgebaut, um wie zur Gründungszeit wieder Säuglinge aufnehmen zu können. Im selben Jahr kündigte die Heimleiterin "Schwesti" (Schwester)  Rosa Ineichen nach 25 Jahren ihre Stelle.

Schnappschuss für die Jubiläumsbroschüre 1970
Schnappschuss für die Jubiläumsbroschüre 1970
Kurzportrait Jeannette Enzen

Krise, Chaos 1974/75 - Unruhige Zeiten!

1974: Die andauernde finanzielle Notlage und die Kündigung der langjährigen Heimleiterin Ineichen hinterliessen ein Betreuungsvakuum und stürzten das Heim in eine schwerwiegende Krise. Die Heimkommission der Kinderstube hatte Mühe, eine geeignete Heimleiterin zu finden. So kam es wegen "Überforderung" zu  Wechseln in der Heimleitung, was zu einer grossen Unruhe und "Verwilderung" in der Kinderstube führte.

1975: Im September fand die Heimkommission der Kinderstube über ein Inserat eine neue Heimleiterin: Maria Vetter (verheiratet Gämperle). 

Heimleiterin Maria Gämperle (1975-1985)

Gämperle, vorher Baldeggerschwester, Hochzeit 1976
Heimleiterin Gämperle in ihrem Büro
Posieren als Kinderheim, 1979

1976: Mit der neuen Heimleiterin kehrte langsam Ordnung in die Kinderstube ein. Sie entliess auch Personal und stellte neue, ausgebildete Erzieherinnen an. Dokumente belegen, dass die Zusammenarbeit zwischen der Heimleiterin und dem Trägerverein nicht immer einfach war. Das zeigte sich etwa, als Maria Gämperle nach ihrer Heirat im Jahre 1976 entschied, ausserhalb der Kinderstube mit ihrem Mann eine Wohnung zu beziehen. Damit war sie die erste Heimleiterin, die ausserhalb des Heims lebte.

Unruhige Zeiten 1974/75
Institutionelle Verrechtlichung & Stabilisierung (1970er-1980er)

Weiterführung der Kinderstube in Frage gestellt

1979: Rund vier Jahre nach dem Stellenantritt der neuen Heimleiterin, war das Verhältnis zwischen der Trägerschaft und Maria Gämperle angespannt. In zahlreichen Schreiben wandte sie sich an die 'gemeinnützigen' Frauen und bat sie, trotz finanzieller Schwierigkeiten, um mehr Personal und angemessene Löhne für ihre Mitarbeiterinnen. Sogar ihr Ehemann intervenierte und setzte sich für seine Frau beim Trägerverein ein. Die finanzielle Notlage war derart akut geworden, dass die Weiterführung der Kinderstube in Frage gestellt war. In dieser prekären Situation versuchte der Gemeinnützige Frauenverein (GF) Kanton Luzern, eine breiter abgestützte Trägerschaft anzustreben. Dafür nahm der Verein Kontakt mit dem Rechtsanwalt Kaspar Lang auf, der sie bei der Stiftungsgründung unterstützte und begleitete. Im selben Jahr wurde auch ein Aktionskomitee geschaffen, das die Kinderstube der breiten Öffentlichkeit bekannt machte und Spenden sammelte.

Aus dem Aktionskomitee entstand 1981 der 'Verein Freunde Kinderheim Hubelmatt'. Präsident wurde dessen Initiant, der damalige Fürsorgesekretär Josef Krieger. Um Geld zu sammeln wurden Veranstaltungen organisiert, die  Aufmerksamkeit erregen sollten, wie beispielsweise ein Risotto-Essen unter der Egg in der Luzerner Altstadt. In Zeitungsartikeln wurde auf die finanzielle Lage des Kinderheims aufmerksam gemacht und zu Spenden aufgerufen. Sogar das Schweizer Fernsehen filmte 1979 auf der Hubelmatt und befragte Kinder und Jugendliche für eine Reportage in der Sendung 'Blickpunkt'.

Verein Freunde Kinderheim Hubelmatt
Organisiert vom Verein Freunde Kinderheim Hubelmatt - Risotto unter der Egg
Organisiert vom Verein Freunde Kinderheim Hubelmatt - Risotto unter der Egg
Stiftungsgründung 1981

1981: Nach diversen Sitzungen mit der Stadt und dem Kanton erarbeitete Rechtsanwalt Kaspar Lang 1980 eine neue, erweiterte Trägerschaft in Form einer Stiftung. Diese neue Rechtsform ermöglichte es, den Betrieb fortzusetzen. Die neue Stiftung Kinderheim Hubelmatt übernahm das Heim auf den 1. Januar 1981, sie war wie folgt organisiert:

  • Ein Stiftungsrat mit sieben Mitgliedern (je ein Vertreter der Bürger- und Einwohnergemeinde sowie des Kantons Luzern, je zwei Vertreter des Gemeinnützigen Frauenvereins und des Vereins 'Freunde Kinderheim Hubelmatt')
  • Eine Heimkommission mit fünf Mitgliedern, verantwortlich für die Betriebsführung
  • Die Heimleitung: pädagogische und administrative Leitung des Heims

Als pädagogisches Ziel wurde festgehalten, "den Kindern die nötige Wärme und Geborgenheit zu schenken, in der sie körperlich und seelisch gesunden und erstarken, damit sie befähigt werden, die Aufgaben der Gesellschaft in Verantwortung mitzutragen."

Kurzportrait Gregor Naef

Das Kinderheim Hubelmatt mit neuer Trägerschaft

1981: Mit der Stiftungsgründung konnte die Institution weiter geführt werden. Nun wechselte auch der Name von 'Kinderstube' endgültig zu 'Kinderheim Hubelmatt'. Erstmals seit der Gründung vor 61 Jahren waren nun auch Männer für die Führung des Kinderheims verantwortlich. Das Präsidium der Stiftung übernahm Rechtsanwalt Kaspar Lang. Im sozialpädagogisch geführten Heim hatte es 32 Plätze für heiminterne Kinder und Jugendliche. Diese wurden auf vier Gruppen aufgeteilt.

Finanziell gesichert und von einem Mann geleitet

Hoher Besuch auf der Hubelmatt

Logo in den 1980er-Jahren (Werner Hoffmann)
1988 Besuch der Bundesrätin Elisabeth Kopp neben Josef Krieger
Ganz links Emil Steinberger, ganz rechts Oskar Mathis

1985: Das Kinderheim Hubelmatt wurde als "beitragsberechtigte Institution" anerkannt und erhielt dadurch Bundesbeiträge. Die Anerkennung des Kinderheims Hubelmatt durch das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) war einer der letzten Meilensteine, während der Heimleitung Gämperle erreicht wurde. Die Protokolle des Stiftungsrates belegen, dass das Verhältnis zwischen der Heimleiterin und der Trägerschaft weiterhin angespannt war. Nach zehnjähriger Tätigkeit entschied sich Maria Gämperle, ihre Stelle als Heimleiterin auf Ende 1985 zu verlassen.

1986: Für die Rekrutierung der neuen Heimleitung wurde besonders auf die Ausbildung der Kandidaten geachtet, weil die Bundessubventionen und die Beiträge aus dem Heimfinanzierungsgesetz das verlangten. Mit Oskar Mathis wurde 1986 der erste Mann als Heimleiter angestellt.

1987: Eine weitere Stabilisierung ergab sich, als der Kanton Luzern das Kinderheim Hubelmatt als Institution gemäss Heimfinanzierungsgesetz (HFG) anerkannte. Damit verpflichtete sich der Kanton jährlich, die allfälligen Defizite zu übernehmen. Die Subventionsgesuche an die verschiedenen städtischen Behörden entfielen damit, was die Heimleitung von der permanenten Geldsorge befreite und eine solide finanzielle Basis schuf.

Kurzportrait Janine Rölli-Becker
Professionalisieren & Neuorientieren (1990–2020)

Neuerungen auf der Hubelmatt

1990: "Das Computerzeitalter ist nun auch auf der Hubelmatt eingekehrt [...]". Mit dieser Nachricht präsentierte sich das Kinderheim Hubelmatt im Jahresbericht von 1990. Als technische Neuerung ersetzten die Computer die alten Schreibmaschinen in den Büros, und die EDV (elektronische Datenverarbeitung) wurde schrittweise eingeführt. 

1990er: Die Planungsarbeiten begannen, um den Alt- und Neubau zu sanieren. Die Stadt als Eigentümerin der Liegenschaft übertrug im Frühling 1993 das Baurecht dem Kinderheim. Nach weiteren zwei Planungsjahren wurde 1995 das Baugesuch eingereicht. Ein Jahr später wurde mit den Bauarbeiten begonnen.

Ein Container wurde als Provisorium auf dem Gelände aufgestellt, in dem die Wohngruppen abwechslungsweise untergebracht wurden. Es stellte sich bald heraus, dass die Bauarbeiten länger als geplant dauerten.

Heimleitung unter Oskar Mathis

Räume für Kinder und Jugendliche

Ein Kinderzimmer vor...
...und nach dem Umbau
Hausaufgaben machen im Jahr 2019

1998: Der Jahresbericht erinnert an die Einweihung des renovierten Kinderheims am 20. Juni 1998: "Ein bedeutender Tag ist angebrochen, bei einem vorsommerlichen Hitzetag, strahlend blauem Himmel weihen und segnen wir unser neu renoviertes Kinderheim Hubelmatt ein. Nach einem ökumenischen Gottesdienst, umrahmt mit Liedern und Ansprachen der Beteiligten und einer Führung durch das Heim geht das Fest zum gemütlichen Teil über. [...] Für das leibliche Wohl sorgen die Risotto-Köche aus Cotone." Weniger erfreulich war die Baukostenabrechnung. Die massive Kostenüberschreitung führte zu einer baufachmännischen Prüfung.

Naturverbundenheit war den Erziehenden sehr wichtig - Zeichnung in einem Jahresbericht
Naturverbundenheit war den Erziehenden sehr wichtig - Zeichnung in einem Jahresbericht

1998: Im Januar wurden auf der Wohngruppe 'Durchzug' und auf der Wohngruppe 'Simba' je ein Sozialpädagoge eingestellt. Obwohl die Kinder und Jugendlichen weiterhin mehrheitlich von weiblichem Personal betreut wurden, gab es nun erstmals pro Wohngruppe je einen Mann.

2003: Als Oskar Mathis im Herbst 2003 überraschend zum Sozialvorsteher der Gemeinde Horw gewählt wurde, kam es nach 18 Jahren zu einem Heimleiterwechsel. Die Nachfolge übernahm Andreas Grütter, der zuvor im Auftrag des Drogen Forums Innerschweiz (heute Akzent) das Therapiezentrum Lehn im Obernau mitaufgebaut und das Therapiezentrum Ausserhofmatt in Schachen geleitet hatte.

2004: Als es unter anderem wegen der Entlassung einer Mitarbeiterin zu einer offenen Auseinandersetzung im Stiftungsrat kam, trat der langjährige Präsident Hans Ulrich Stooss zurück. Vorübergehend übernahm Monika Portmann das Präsidium ad interim. Sie war seit den 1990er-Jahren als Vertreterin der Stadt von Amtes wegen Mitglied im Stiftungsrat. 2006 übergab sie den Vorsitz dem neuen Präsidenten Rolf Krummenacher, einem Manager aus der Wirtschaft sowie liberalen Politiker.

Kurzportrait Tobias Rickenbacher

Sichere Finanzierung des Kinderheims

2005: Auf den 1. Januar erhielt das Kinderheim Hubelmatt keine Beiträge mehr vom Bundesamt für Justiz (EJPD). Der Grund dafür war, dass die Öffnungszeiten nicht mehr 365 Tage umfassten. Das Heim war während der Ferien sowie am Wochenende vermehrt geschlossen und die Kinder verbrachten diese Zeit bei Pflegefamilien oder kehrten zu ihren Angehörigen zurück. Die wegfallenden Bundessubventionen mussten durch das kantonale Heimfinanzierungsgesetz ausgeglichen werden.

2008: Ein Jahrzehnt nach der Einführung des damals so stabilisierend und entspannend wirkenden Heimfinanzierungsgesetzes stand eine Totalrevision an. Im Gesetz von 1986/87 garantierte der Kanton, die jeweiligen Betriebsdefizite zu übernehmen. Im revidierten Gesetz mit dem neuen Titel 'Gesetz über soziale Einrichtungen (SEG)' von 2008 wechselte der Kanton zum System mit Leistungsaufträgen und -vereinbarungen, die eine Vorfinanzierung ermöglichten, aber jährlich mit Qualitätsprüfungen verbunden waren. Diese von nun an auf solider Basis fussende Finanzierung, enthob den Verein Freunde Kinderheim Hubelmatt seines ursprünglichen Zweckes. Die finanziellen Mittel und Verpflichtungen des Vereins wurden nach seiner Auflösung im Jahre 2008 der Stiftung Kinderheim Hubelmatt übertragen.

Kurzportrait Jenny Estermann
Vom Kinderheim zum Compass Hubelmatt

2020 - Das (leise) Jubiläumsjahr!

Ehemaliges Logo des Kinderheims
29.1.2020 – 100 Jahre später plant Andreas Grütter die Verteilung des...
...Geburtstagskuchen für die 100-jährige Institution

2020: Für das Jubiläumsjahr beauftragte der Stiftungsrat ein Historiker-Team die Vergangenheit des Kinderheims aufzuarbeiten. Zudem erarbeitete der Stiftungsrat und die Geschäftsleitung mit Experten und einem Grafiker-Team ein neues Erscheinungsbild sowie einen Wertekompass. Der Name der Institution änderte auf den 1. Januar 2020 von 'Kinderheim Hubelmatt' auf 'Compass Hubelmatt, Raum für Kinder und Jugendliche'. Passend zum neuen Auftritt wurde auch die Website neu gestaltet.

Am 29. Januar 2020: Im kleinen Rahmen wurde der Beschluss zur Gründung der Kinderstube gefeiert, der 100 Jahre zuvor vom Gemeinnützigen Frauenverein des Kanton Luzern getroffen wurde.

Für das Jubiläumsjahr 2020 sind verschiedene Veranstaltungen geplant. Das Virus COVID-19 kam uns dazwischen und so konnten alle geplanten Events im 2020 nicht stattfinden und das Jubiläumsjahr ging ganz leise über die Bühne.

Im 2022 holten wir den Anlass für Ehemalige nach. 150 Menschen zwischen 16 und ü80 Jahren - ehemalige Kinder/Jugendliche, ehemalige und aktuelle Mitarbeiter*innen, ein ehemaliger Heimleiter, eine ehemalige Heimleiterin, ehemalige und aktuelle Stiftungsrät*innen - trafen sich bei herbstlichem Sonnenschein im Compass Hubelmatt. Tränen des Wiedersehens wurden vergossen, Fotoalben machten die Runde, viele Gespräche wurden geführt, immer wieder war ein Lachen hörbar und auch Stirnrunzeln sichtbar. Die Fülle der geteilten Erinnerungen gaben diesem Tag eine magische Ausstrahlung.

Der Anlass für die breite Öffentlichkeit, das Compass Hubelmatt Fäscht führten wir im Herbst 2023 durch. Ca. 150 fanden den Weg zum zu uns. Es wurde gespielt, gezaubert, gegessen, getrunken, gelauscht, gestaunt, ausgetauscht und einmal mehr viel gelacht.

Nachweise

Nachweise

Die ersten 100 Jahre sind Geschichte. Wer auf dieses Jahrhundert des privaten Kinderheims zurückblickt, dem bieten die aus unterschiedlichen Quellen zusammengetragenen Informationen, insbesondere die neu geschaffenen Oral History Zeugnisse bis in die 1970er-Jahre eine recht gute Sicht. Ab den 1960ern weiter in die Vergangenheit zurückschauend, wird es zunehmend schwieriger. Die spärlicher werdenden oder nicht vorhandenen  Akten und Hinterlassenschaften ermöglichen nur das Erkennen vernebelter Konturen. Alltägliches wie Betriebsinternes bleibt weitgehend im Dunkeln. Erst das Umzugsjahr auf die Hubelmatt 1928 sowie die Zeit um 1920 zeigen sich wieder mehr im Licht. Das hier Dargestellte fusst auf dem bis März 2020 aufgefundenen Material. Fehlen Quellen, gibt es keine Geschichte(n). Tauchen künftig neue Informationen auf, kann sich die hier beschriebene Geschichte verändern.

Die Mehrheit der Quellen befindet sich:

  • Staatsarchiv des Kanton Luzern
  • Stadtarchiv der Stadt Luzern

Die Oral History Interviews wurden im Zeitraum von Januar 2019 bis März 2023 durchgeführt.

Genauere Informationen zu den Quellen, der verwendeten Sekundärliteratur, den Bildern sowie den Interviews sind in der 'Gesamtdarstellung' zu finden.

Gesamtdarstellung

 

Die historische Aufarbeitung erfolgte durch Jürg Stadelmann und Giulia Schiess,  Büro für Geschichte, Kultur und Zeitgeschehen in Luzern.

Stand: März 2020. Ergänzung mit dem Video Interthal im März 2023.